Vor 14 Tagen habe ich die Gedenkkapelle in der  Marienkirche in Lübeck besucht. Von  Weitem fallen die Reste der beiden Glocken ins Auge, die beim Bombenangriff auf Lübeck 1942 durch den Turm in die Kirche gestür zt sind. Man hat sie als Mahnmahl dort liegen gelassen.

Seitlich an der Wand sind drei Nägel zu einem Kreuz zusammengefügt – das Nagelkreuz von Coventry.

Es erinnert an die Bombardierung von Coventry 1940 durch deutsche Bombergeschwader, bei der große Teile der Innenstadt und auch die mittelalterliche St. Michael’s Cathedral zerstört wurden.
Im ausgebrannten Gotteshaus feierte die Gemeinde weiter Gottesdienst. Den Altar errichtete man aus Trümmersteinen, verkohlte Dachbalken bildeten das Altarkreuz. Als Zeichen der Versöhnung  wurden die Worte „VATER VERGIB“ an der Wand des Altarraumes angebracht. Sie schlossen die Urheber des Leidens mit ein und standen für die Überwindung des Hasses.

Bei den Aufräumarbeiten in den Trümmern der St. Michael´s Cathedral wurden auch drei große Zimmermannsnägel aus dem Dachstuhl der zerstörten Kathedrale geborgen. Der damalige Dompropst ließ sie zu einem Kreuz zusammensetzen und in der Kathedrale aufstellen. 1947 wurde dann das erste Nagelkreuz als Zeichen der Versöhnung gemeinsam mit einem Versöhnungsgebet an die Nikolaikirche in Kiel geschickt, später gemeinsam mit dem Gebet an viele andere Orte in Deutschland und darüber hinaus. So gingen die Opfer auf die Täter zu und reichten ihnen mit dem Nagelkreuz die Hand zur Versöhnung.

Mich bewegt, dass in der Gedenkkapelle in Lübeck beides zu sehen ist, die Überreste der Glocken und das Nagelkreuz aus Coventry, und dass die  Gedenktafel in der Marienkirche zunächst an die Bombardierung Coventry s erinnert,  bevor auf die Bombardierung Lübecks eingegangen wird.

Hier werden ganz im Sinne des christlichen Glaubens Leid und Schuld nicht gegeneinander ausgespielt, auch nicht von der eigenen Schuld abgelenkt. Gerade so war und ist Versöhnung möglich und es gibt heute eine gelebte Partnerschaft zwischen den Kirchengemeinden in Lübeck und in Coventry

Wir brauchen solche Zeichen der Versöhnung. Denn auch heute gilt es, immer wieder aufeinander zuzugehen, den ersten Schritt zu wagen, Abschottung, Egoismus, das Setzen auf Rache und menschenverachtende Gewalt zu überwinden  – im Kleinen wie im Großen.

Ermutigung und Anleitung dazu findet man im Versöhnungsgebet von Coventry – es ist abgedruckt im Evangelischen Gesangbuch

Horst Fißmer

Horst Fißmer

Pfarrer, Kirchengemeinde St. Marien Christuskirche