Auf Einladung des Mindener Geschichtsvereins war jetzt Prof. Dr. Werner Freitag vom Historischen Seminar der Universität Münster in Minden zu Gast. Als Spezialist für westfälische Landesgeschichte referierte er in der Offenen Kirche St. Simeonis über das Thema: „Die Reformation in Westfalen: Regionale Vielfalt, Bekenntniskonflikte und Koexistenz“.
Vor zahlreich erschienenen Gästen erläuterte Freitag die besonderen historischen Rahmenbedingungen und die spezifischen Verläufe der Reformationsprozesse im westfälischen Raum und überraschte dabei immer wieder mit interessanten Einsichten, ausgehend von der Frage: Was ist überhaupt „Westfalen“? Verglichen mit den Reformationsverläufen in Kursachsen, Thüringen, Hessen und den oberdeutschen Gebieten setzte das Reformationsgeschehen in Westfalen mit einer Zeitverzögerung von rund zehn Jahren ein – nicht etwa wegen des „sturen Charakters“ der Bevölkerung, sondern aufgrund der niederdeutschen Sprachgrenze: Paradoxerweise mussten Luthers deutsche Schriften – sogar seine Bibelübersetzung – erst ins Niederdeutsche übersetzt werden, bevor sie in Westfalen Breitenwirkung erzielen konnten. Seine Briefe an Adressaten in Westfalen schrieb Luther darum auch von vornherein auf Lateinisch.
Eine zweite Besonderheit der Reformation in Westfalen: Die extreme Zersplitterung in unterschiedlichste politische Herrschaftsgebiete und Herrschaftsformen, die eine „zentral gelenkte“ Reformation wie andernorts unmöglich machte. Von daher wundert dann auch nicht eine dritte Auffälligkeit: Jahrzehntelang war im westfälischen Raum ein „Schwebezustand“ zu beobachten, unterschiedliche „Mischungen“ von evangelischen und katholischen Formationen machten die religiöse Landschaft bis in das vorletzte Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts sehr bunt. Religiöse und theologische Entwicklungen waren, das machte der Vortrag von Prof. Freitag deutlich, im Reformationszeitalter auf vielfältig komplexe Weise mit sozialen, politischen und wirtschaftlichen Prozessen verknüpft.

(Beitrag von Pfarrer Andreas Brügmann / Offene Kirche St. Simeonis)