Wumm! Ein sympathisches Plüschmonster landet in meinen Armen. Das kleine Mädchen, das ich in der Kinderklinik besuche, hat Spaß. Ich werfe zurück. Immer wieder. „Wozu hat es denn die großen Zähne?“ frage ich. „Es kann Sorgen fressen.“ erläutert das Mädchen. „Dann sind die Sorgen weg und du fühlst dich besser?“ Das Mädchen nickt.

Sorgen belasten und bereiten schlaflose Nächte. Kindern und Erwachsenen. Das Mädchen hat neulich seine Eltern gefragt, ob es wirklich wieder ganz gesund wird.

Sorgen um die Gesundheit liegen auch bei uns Erwachsenen oft oben auf. Genauso sind da Sorgen um die Partnerschaft, den Arbeitsplatz  oder die Rente. Seit den Vorfällen von Chemnitz sind die Sorgen, wie dem Rechtsradikalismus in unserer Gesellschaft begegnet werden kann, nicht weniger geworden.

Wie können wir unsere Sorgen loswerden? Auf sie zu pfeifen, hilft meist nur vorübergehend. Über sie zu jammern, lässt sie oft noch größer werden. Eine gute Idee dagegen ist, sie von uns wegzuwerfen. Kraftvoll und mit Schwung! Doch wohin? „Alle eure Sorgen werft auf Gott, denn er sorgt für euch.“ heißt es in der Bibel (1. Petrus 5, 7). Wie das geht? Indem wir unsere Sorgen vor Gott aussprechen oder herausschreien. Indem wir sie seufzend vor Gott bringen oder zornig unserer Seele Luft machen. Im Gebet. Allein oder mit anderen.

Gott fängt unsere Sorgen auf, wirft sie aber nicht zurück. Gott trägt sie und sorgt für uns. Durch einen Menschen, der ein offenes Ohr für uns hat. Durch jemanden, der uns tatkräftig unterstützt. Oder durch eine gute Idee, die uns kommt.

In der Kapelle des Johannes Wesling Klinikums liegt ein Buch, in das Patienten, Patientinnen und Angehörige ihre Gebete schreiben. Dort ist zu lesen, wie hilfreich es sein kann, die eigenen Sorgen auf Gott zu werfen und wie Gott für uns sorgt.

Wumm! Das sympathische Plüschmonster landet wieder bei mir. Ich lege es beiseite und erzähle dem Mädchen, dass Gott unsere Sorgen auffängt

Zärtlich nimmt die Mutter das Kind in den Arm, schaut sich das aufgeschlagene Knie an, tröstet und wischt die Tränen ab, die die Wange des Kindes hinunterlaufen. Nun kann alles wieder gut werden, zumindest ein Stück weit. Auch wenn wir erwachsen sind, gibt es diese Momente, in denen es so wohltuend ist, wenn wir getröstet werden. „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen …“. Was für ein starkes Bild finde ich im letzten Buch der Bibel, gerade richtig für graue, trübe Novembertage. Die Worte berühren mich. Gott sieht jede Träne, die ein Mensch weint: Tränen der Trauer und des Schmerzes, Tränen der Verzweiflung und des Leids. Bei ihm sind sie gut aufgehoben. Ganz gewiss schaut er nicht aus irgendeiner Ferne auf unsere Sorgen und Nöte, vielmehr kommt er zu jedem und jeder von uns persönlich, rührt uns an. Wir dürfen unsere Tränen weinen, unseren Schmerz zeigen. Gott bietet sich als Adressat unserer Tränen an. Aber er ermutigt uns auch, die Trauer und die Tränen unserer Mitmenschen zu begleiten, Tränen bei ihnen abzuwischen. Gott tröstet. Oftmals erleben wir das durch liebevolle Worte, kleine Gesten und Zeichen, die ein anderer Mensch uns schenkt. „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein …“ – Eine zärtliche Berührung Gottes, die etwas von dem erahnen lässt, das einmal sein wird. Es wird eine Zeit kommen, in der alle Tränen getrocknet sein werden. In Gottes Ewigkeit wird es keine Tränen und auch keinen Tod mehr geben. Dafür steht Jesus Christus, ein Lichtblick in den Schattenseiten unseres Lebens. Er hat dem Gott, der am Ende die Tränen abwischen wird, vertraut. Das dürfen wir auch. Alles kann gut werden.

Melanie Drucks

Melanie Drucks

Ev. Krankenhausseelsorgerin im Johannes Weßling Klinikum Minden