Wort zum Sonntag

Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.

Ostern 2024 – Hoffnungskraft im Krisenjahr

Man könnte meinen, es werde immer schlimmer: Der Krieg gegen die Ukraine ist im dritten Jahr und noch immer kein Ende in Sicht. Inzwischen ist noch ein Krieg in Israel und Palästina dazugekommen. Alles wird teurer. Und nun sind auch noch die Rechtsextremen auf dem Vor­marsch: Mit einfachen Ant­wor­ten zu den aktuellen Krisen schüren sie Angst auf dem Rücken von Fremden und Minderheiten. Die freiheitlichen Grundrechte sind be­droht. Die Menschen­ver­äch­ter haben mit ihren einfachen Bot­schaf­ten leichtes Spiel, weil sie die Ängste und Sorgen in schwierigen Zeiten be­dienen. Die multiplen Krisen vergrößern die Verunsicherung und verengen die Sicht. Auch Kirche ist gerade mit vielen inter­nen Problemen und deshalb viel mit sich selbst be­schäf­­tigt: Ihr Umgang mit sexu­alisierter Gewalt, Finanzkrise, Personalmangel, Mitglie­der­schwund, Umbau des kirchlichen Lebens. Klar, das alles ist wichtig. Aber wenn Angst vor der Be­deutungslosigkeit die Kirche leitet, wird sie bedeutungslos, weil sie so verliert, was sie ausmacht und an Ostern fei­ert. Wer braucht denn in den Krisen unserer Zeit auch noch eine Kirche, die sich in ihren eigenen Krisen zu verlieren scheint?! Man hat ja auch noch seine ganz privaten Krisen und Nöte. Und doch wird wie­der Ostern – auch 2024, auch in unserem Land, auch in der Kirche. Auch für jede und jeden persönlich kann in 2024 Ostern werden: neuer Lebens­mut und fri­sche Hoffnungskraft.

Wie das gehen kann, zeigt eine uralte Osterge­schichte im Lukasevangelium: Vor drei Ta­gen haben sie Jesus am Kreuz hinge­rich­tet. Mit seiner Botschaft von Gottes Liebe zu allen Men­schen störte er schon da­mals die Mächtigen. Sie bereiten ihm und seiner gerechten Sache ein jähes En­de. Zwei sei­ner Freunde kehren der Ge­mein­schaft der eingeschüchterten Jün­ger enttäuscht den Rücken. Sie gehen zurück ins alte Leben, das sie einst für Je­sus verließen in Erwartung eines neuen Lebens in einer gerechteren Ge­sell­schaft. Doch jetzt ist alles aus und vorbei. Jesu Freundeskreis ist nur noch ein ver­ängstigtes Häufchen Elend, nur mit der eigenen Angst befasst. Aus dieser Gemeinde treten sie aus, traurig und ent­täuscht. Auf ihrem Weg begegnen sie dem aufer­standenen Jesus Christus. Sie erkennen ihn aber noch nicht. Er gibt sich als Frem­der. Interessiert fragt er nach dem Grund ihrer Traurigkeit und begleitet die beiden auf ihrem perspektiv­losen Weg. Er hört ihren Klagen zu und hält ihre Ent­täu­schungen aus. Aber zu­gleich weitet er ihren verengten Blick: das Leiden war nicht umsonst; da ist noch verborgener Sinn; der Tod hat nicht das letzte Wort, da ist noch neues Leben. Seine Worte tun ihnen gut, auch wenn sie noch nicht viel ver­steh­en. Dann wird es Abend, und sie kommen in ihr Dorf: Emmaus. Die bei­den laden Jesus zu sich nach Hause ein. So zei­gen ausgerechnet sie, die doch als erste aus der „Kirche“ aus­traten, worauf es bei Kirche eigent­lich an­kommt: Gastfreund­schaft mit Fremden; eine offene Tür für andere, die nicht aus dem Blick geraten, wenn man selbst gerade in der Krise steckt. In dieser Hal­tung macht Jesus die bei­den stark: Er nimmt Platz an ihrem Tisch. Er dankt Gott für das tägliche Brot, das für viele nur selbstver­ständ­lich und inzwischen viel zu teuer geworden ist. Und dann teilt er es unter ihnen, weil alle satt werden sollen. Mitten in ih­rer Krise gewin­nen die beiden den Blick für das Geschenk des Lebens, das sie Gott wieder dan­ken können. In diesem Mo­ment erkennen sie ihn: den Auferstandenen mitten un­ter ihnen. Gottes Treue zum Leben ist doch größer als ihre Ent­täu­schung, stärker gar als Tod und Trauer. Sie erkennen: im Teilen erschließt sich neues Leben. Trauer weicht der Zuversicht, Angst dem Vertrauen in das Leben. Jesus lebt und zeigt sich in der Gemeinschaft derer, die für das Leben danken und es mit ande­ren teilen können. Voll Osterfreude laufen sie nun den Weg zurück, um mit den anderen ihre neue Hoffnung zu teilen. Aus dem enttäuschten Rückzug ins Priva­te wird eine neue Gemeinschaft: Kirche am ersten Os­ter­tag.

„Emmaus“ gibt es auch bei uns. Ostern kann auch 2024 geschehen. „Emmaus“ – so heißt z. B. eine Pflegeeinrichtung der Diakonie Stiftung Salem in Minden. Der Name dieses Hauses ist Programm für Diakonie und Kirche ins­ge­samt: Auch für Menschen in ihrer letzten Lebenszeit gibt es Hoffnung auf neu­es Leben. Jesus Christus ist auch für sie auferstanden, damit niemand ohne Hoff­­nung leben muss – in keiner Krise des Lebens, auch nicht in dessen letzten Abschnitt. Diakonie will nicht nur mit guter Fachlichkeit dienen. Hier arbeiten Haupt- und Ehrenamtliche auch seelsorglich. Sie begleiten Menschen auf ihrem Weg, hören zu und nehmen Anteil, so wie Jesus auf dem Weg damals. Sie dan­ken für das Leben und teilen ihre Hoffnung aus. So kann sich der Auferstandene zeigen, wo Menschen offen bleiben für andere und sie einladen, Glauben und Le­bens­mut mit ihnen zu teilen. Ostern ereignet sich da, wo bei allen Ängsten und Ent­täu­schungen die Hoffnung offengehalten wird. Auf Karfreitag folgt Ostern, auf den Tod das neue Leben. Dadurch ist noch kein Friede in der Ukraine. Die Geis­eln sind noch nicht frei und das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung geht noch weiter. Aber es ist wieder Ostern geworden. Mut und Hoffnung sind in 2024 nicht nur verzwei­felt oder naiv, sie haben einen Grund: Jesus lebt und ist als Kraft zu neuem Lebens­mut mitten unter denen, die Hoffnung teilen. Das Kreuz ist nicht das Ende, sondern Zeichen der Hoffnung geworden. Das wird im Foto vom Kreuz und den Osterglocken angedeutet. Ich habe es am Ostersonntag 2023 auf dem Mindener Nordfriedhof aufgenom­men. Wer an Ostern die Auferstehung Jesu feiert, kann aufstehen gegen Men­schen­­verächter, die nur an die Macht von Tod und Gewalt glauben und Hass und Angst schüren. So kann Kirche erkenn­bar werden, indem sie lebt, was sie Ostern feiert – und indem sie einlädt zu feiern, was das Leben ausmacht. So wie am 22. Mai, dem Vorabend des 75. Geburtstags des Grund­ge­setzes. Dann feiern der Ev. Kirchenkreis und die Stadt Minden eine Geburts­­tagsfeier für das Grund­gesetz und die Barmer Theologische Erklä­rung. Dieses wichtige Doku­ment im Kampf der Ev. Kirche gegen den Na­tio­nal­sozialis­mus wird nämlich am 31. Mai 90 Jahre alt. Nähere Informa­tionen finden Sie auf der Homepage des Kirchenkreises. Wir wollen das Leben feiern und der Menschen­ver­ach­tung und Ausgrenzung widerstehen. Auch 2024 können wir Ostern feiern!

Ich wünsche Ihnen ein frohes, zuversichtliches und gesegnetes Osterfest!

Michael Mertins

Michael Mertins

Superintendent, Evangelischer Kirchenkreis Minden

Glaube verbindet

Sport verbindet, das ist die Erfahrung von Menschen, die mit anderen Sport treiben. Und Sport verbindet nicht nur mit den Menschen, mit denen wir gemeinsam Sport treiben, sondern zu einem gewissen Grad mit allen, die den gleichen Sport ausüben, z. B. bei den großen Sportevents, die dieses Jahr ins Haus stehen, die EM in Deutschland und die Olympischen Spiele. Diese Events, als Höhepunkt des Sports gefeiert, lassen viele von uns aber ratlos zurück. Sport verbindet, aber bei diesen Großereignissen werden so viele Dinge sichtbar, die uns trennen. Die Geldgeber dieser Events und die Funktionäre der Sportorganisationen lassen niemanden mitspielen. Sie leben in einer eigenen Welt. Ein Kontrast, der immer wieder ins Auge fällt, ist der zwischen den Mächtigen der Sportwelt, die Millionengewinne erwirtschaften, und den Menschen, die die Schattenseiten der Profitgier in den Nähfabriken zu spüren bekommen. Das ständige Foulspiel der mächtigen Dreierkette: Adidas, Nike und Puma gehört in die gleiche Liga, wie die Arbeitsbedingungen der Gastarbeiter in Katar bei der letzten WM. Jüngst haben sich Fans in der Bundesliga gegen noch mehr Vermarktung gewehrt. Der Mainzer Sportvorstand Christian Heidel hat bei diesen Protesten gegen den Investoreneinstieg in der Bundesliga wegen der Spielunterbrechungen bezeichnenderweise gesagt: „Man sollte es irgendwann aber mal beenden, sonst hat das mit Fußball nicht mehr viel zu tun.“ Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Wenn wir eine weitere Vermarktung nicht stoppen, hat es nichts mehr mit Sport zu tun, der verbindet, sondern nur noch mit einem Event, das Menschen trennt. Denn jeder Investor will wieder Ertrag sehen und überlegt sich die nächste Vermarktungsstrategie, bei der Menschen abgehängt werden. Selbst die am Gewinn beteiligten Sportler sind teilweise Opfer dieses Spiels. Sei es durch Gesundheitsschäden oder wegen des Lebensstils. Laut einer Analyse von Oliver Bierhoff ist jeder achte Profifußballer in Deutschland nach der Karriere pleite.
Am Sonntag feiern wir das Fest Palmsonntag, den Einzug Jesu in Jerusalem. Warum hat Jesus daraus nicht mehr gemacht, würde ein Manager fragen? Warum hat er sich nicht unverzichtbar gemacht, als Präsident einer Laienorganisation, da steckte doch Potenzial? Und mit Geld kommt man ins Spiel der Mächtigen, da hätten sie ihn nicht so einfach abservieren können. Aber er wollte, dass seine Ideen Menschen verbinden und hat auf die Macht verzichtet. Und er hat im Nachhinein viel mehr Menschen über Standesgrenzen hinweg zusammengebracht, viel mehr, als wenn er ein paar Jahre Präsident seiner religiösen Bewegung gewesen wäre. Glaube verbindet.

Clemens Becht

Clemens Becht

Pfarrer, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde St. Marien, Bezirk St. Lukas

Vom Recht ohne Richten

„Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet.“ Dieser Satz traf für mich schon immer den Kern von Jesu Botschaft. Schau erst bei dir selbst, wieviel du gemeinsam hast mit dem Menschen, über den du richtest. Ein herzloses Urteil kannst du dann nicht fällen. Das klingt weltfremd in Zeiten von Social Media und Populismus, in denen schnell über oft unsichtbare andere Menschen Urteile gefällt und verbreitet werden.

Im Klinikum dagegen finden sich wildfremde Menschen auf einmal zum Schlafen im gleichen Zimmer wieder und sind erstaunt, wie gut das oft geht.
Was, wenn der Bauer, der vor Wochen noch mit Galgen am Trecker fuhr, mit einem Grünen auf ein Zimmer käme und merkte, dass der eigentlich konservativ ist, weil er Lebensgrundlagen bewahren will?
Was, wenn der Grüne merkte, dass der Bauer die Natur und seine Tiere liebt und über lauter Bürokratie im Burnout gelandet ist?
Was, wenn einem AfD-Wähler von einem unserer muslimischen Ärzte, die im Klinikum Hirntumore operieren, das Leben gerettet wird und er sich nach dem Aufwachen über die gemeinsame Angst vor dem Verlust der Heimat mit einem ukrainischen Bettnachbarn unterhält?

Das schnelle Richten unserer Zeit führt zu Fehlurteilen. Diese führen dazu, dass Menschen nicht Recht geschieht. Und wer Extremisten und Fanatikern folgt, der gefährdet das Recht auf Leben. Diese zetteln Kriege an, wie der Neostalinist Putin oder die Hamas, und verurteilen damit Unschuldige zum Tod, inklusive der eigenen Zivilisten, denen besonders in Gaza massiv Unrecht geschieht.

Der Name dieses Passionssonntags Judika übersetzt den Ruf des Psalmbeters an Gott „Schaffe mir Recht…“. Christen schauen nun auf den durch menschliches Fehlurteil zum Kreuzestod Gerichteten. Er schafft Recht, weil er unser Richten auf sich zieht und uns davon befreien will. Wenn dann Menschen in seine Nachfolge gehen, werden sie wie Jesus auf das schnelle Richten des Nächsten verzichten und ihnen dadurch Recht geschehen lassen. Würde das wieder beherzigt werden, könnten sich Spaltung, Hitze und Hass unter uns abkühlen, und der Rechtsstaat des christlichen Abendlands wäre nicht gefährdet. Im Kleinen, auf Krankenzimmern, gibt es dafür immer wieder einen Anfang.

Oliver Vogelsmeier

Oliver Vogelsmeier

Pfarrer und Krankenhausseelsorger