Mit einem Festakt in St. Martini feierte jetzt der Evangelische Kirchenkreis Minden sein 200jähriges Bestehen. Der Abend begann mit einer Andacht von Superintendent Jürgen Tiemann und einem Grußwort von Landrat Dr. Ralf Niermann. Es folgte ein Vortrag von Professor Dr. Wolfgang Huber über „Herausforderungen für Christen und Kirchen im 21. Jahrhundert“. Mit der Vorstellung des Buchs „Evangelische Kirchen im Mindener Land“, das der Kirchenkreis anlässlich des Jubiläums herausgegeben hat, und einem Sektempfang im Seitenschiff der Kirche klang der Abend aus.
Für die musikalische Gestaltung sorgten das Bläserensemble unter der Leitung von Lothar Euen, der Jugendchor Tookula unter der Leitung von Frauke Seele-Brandt und Martini-Kantor Dr. Ulf Wellner an der Orgel. Für die voll besetzten Kirchenbänke war, wie Superintendent Tiemann erfreut in seiner Begrüßung feststellte, wohl insbesondere der Festredner verantwortlich, den der Kirchenkreis für diesen besonderen Abend eingeladen hatte.
„Was bin ich froh, diese Einladung nach Minden angenommen zu haben“, stellte der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), kaum am Rednerpult angekommen, fest. So begeistert hätten ihn die großartigen Leistungen der Bläser und Sänger im Verlauf der Andacht, dass sich schon allein dafür die Reise von Berlin nach Minden gelohnt habe, meinte Huber. Die Menschen neben ihm in der Bank hätten sicher bemerkt, wie es in seinen Füßen gezuckt hätte, und bei dem vom Bläserensemble gespielten Rumba habe er nicht umhin gekonnt zu denken: „Vielleicht fangen wir doch gleich endlich einmal an zu tanzen.“ Niemals zuvor habe er Bläser – und dann noch so gekonnt – einen Rumba spielen hören.
Nach diesem so sympathischen Einstieg legte Huber sprachgewandt, pointiert und kurzweilig seine Gedanken zur Situation von Kirche und Religion im 21. Jahrhundert dar – hier eine Auswahl seiner Thesen.
– Auch in der modernen, zum Säkularen und zur Pluralität neigenden Gesellschaft sei der Glaube „eine starke Option“. Schon das große Publikum an diesem Abend in St. Martini belege das.
– In einer pluralen Welt gebe es zwangsläufig auch eine Pluralität der Religionen; das interreligiöse Miteinander sei zur Lebensnotwendigkeit geworden und in der Begegnung mit Muslimen gelte es deutlich zu machen, dass die Menschen in Deutschland auch in Zukunft in Freiheit leben wollen. Diese Diskussion sei für seine Begriffe noch nicht mit der nötigen Klarheit geführt worden und müsse deshalb weiter verfolgt werden. Gerade im Verhältnis zwischen Christen und Muslimen komme es auf die bereits 2006 von der EKD geforderte „Klarheit und gute Nachbarschaft“ an.
– Global sei weniger von einem Rückgang als von einer Wiederkehr der Religiosität auszugehen. Einer Studie zufolge gehe der Anteil von Menschen ohne Religionszugehörigkeit weltweit von 16 auf 13 Prozent zurück (in Deutschland aktuell 35 Prozent). Derzeit gebe es rund 2,92 Milliarden Christen und 2,75 Milliarden Muslime.
– Zur Pluralität gehöre auch die Situation in der Ökumene. Huber machte deutlich, dass es zwar im Zusammenhang mit dem Reformationsjubiläum „atmosphärische“ Fortschritte im Miteinander der beiden großen christlichen Kirchen gegeben habe. Inhaltlich gebe es jedoch Unterschiede, die man so erklären müsse, dass es sowohl für evangelische als auch für katholische Christen verständlich sei und ein Zustand der „versöhnten Verschiedenheit“ erreicht werde. Den aktuellen Stand zum Thema Abendmahl bezeichnete er als „asymmetrisch“: Evangelische Christen dürfen zwar unter bestimmten Voraussetzungen am katholischen Abendmahl teilnehmen, umgekehrt gelte aber für Katholiken weiterhin ein grundsätzliches Verbot hinsichtlich des evangelischen Abendmahls.
– Zum Verhältnis zwischen Kirche und Staat konstatierte Huber, dass ein säkularer Staat für die Religion ein Segen sei, da er sich nicht in Religionsfragen einmische und sich nicht zum Herrscher über die Religion machen wolle.