Was ist der Unterschied zwischen „lutherisch“ und „reformiert“?

Zwar gibt es Unterschiede zwischen reformierten und lutherischen Gemeinden, aber die Gemeinsamkeiten sind deutlich stärker und größer.

Entstehung der Unterschiede in der Reformationszeit

Aus den Anfängen der Reformation haben sich zwei große theologische Traditionen entwickelt: die reformierte und die lutherische.

Die reformierte Konfession breitete sich von den Städten Zürich, Basel, Straßburg und Genf überwiegend im Süden und im Westen aus. Prägende Reformatoren waren Ulrich Zwingli, Johannes Calvin und Martin Bucer.

Die lutherische Konfession strahlte von Wittenberg aus überwiegend in den Norden und den Osten aus. Neben Martin Luther selbst waren einflussreiche lutherische Reformatoren Philipp Melanchthon, Johannes Bugenhagen und – in Minden – Nikolaus Krage. Fürsten und Stadträte führten in ihrem Gebiet die Reformation in unterschiedlichen Prägungen ein. Ihre Kirchenordnungen lassen jeweils die reformierte oder die lutherische Herkunft erkennen.

Unterschiede in den Gottesdiensten

In der Liturgie stellt die reformierte Konfession das gesprochene Wort und damit die Predigt in den Mittelpunkt. Es gibt keine liturgischen Gesänge oder Wechselgesänge. Eine besondere Bedeutung hat das Singen von Psalmliedern. Die lutherische Konfession ist hier näher an der katholischen Praxis und sieht geistliche Lieder sowie liturgische Gesänge vor.

Das apostolische Glaubensbekenntnis wird in reformierten Gottesdiensten seltener gesprochen und dann mit einem zusätzlichen Wort: „… heilige allgemeine christliche Kirche“. „Allgemein“ ist hier die Übersetzung des griechischen Wortes für „katholisch“. Beim Vaterunser wird außerdem in reformierten Kirchen meistens gesagt: „Unser Vater im Himmel…“ statt „Vater unser im Himmel…“.

Bedeutung des Abendmahls

Beim Abendmahl gibt es verschiedene theologische Auffassungen davon, auf welche Weise Christus selbst präsent ist. Im reformiert geprägten Abendmahl wird eher die Erinnerung an das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern betont. Es wird nicht mit Oblaten gefeiert, sondern mit gebackenem Brot, das beim Teilen gebrochen wird. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer reichen den Kelch selbst untereinander weiter.

Gestaltung des Kirchenraums

Die theologischen Unterschiede spiegeln sich auch im Kirchenbau wider. Reformierte Kirchenräume sind betont schlicht, damit nichts die Wahrnehmung des Wortes stört. Reformierte Kirchen verzichten auf Bilder und haben meistens kein Kreuz und niemals ein Kruzifix. Die Kanzel als Symbol des in der Predigt gesprochenen Worts steht in reformierten Kirchen oftmals mittig über dem Tisch des Herrn – der niemals „Altar“ genannt wird.

In lutherischen Kirchen sind Altar und Kanzel meistens nebeneinander angeordnet. Bilder dienen als Anregungen für den persönlichen Glauben.

Unterschiede hinsichtlich der Ethik

Ein wichtiger Unterschied besteht bei der Vorstellung zur Wechselwirkung zwischen Glauben und Lebensgestaltung. Die lutherische Konfession geht von der Rechtfertigung allein durch den Glauben aus und sieht keine direkte Verbindung zwischen weltlichem Ergehen und geistlichem Zustand. Nach reformiertem Bekenntnis gibt es neben der Rechtfertigung durch den Glauben auch das Element der Heiligung. Früher wurde sogar wirtschaftlicher Erfolg als Folge des Glaubens gesehen. Heute wird unter Heiligung eher das dankbare Handeln nach Gottes Weisungen verstanden.

Luther hat seine wesentlichen theologischen Einsichten zusammengefasst im „Kleinen Katechismus für Unterricht und Seelsorge“. Das reformierte Pendant ist der Heidelberger Katechismus. Beide Bekenntnisse sind im Evangelischen Gesangbuch abgedruckt.

Zählung der zehn Gebote

Im Heidelberger Katechismus sind die zehn Gebote im kompletten Wortlaut des biblischen Texts wiedergegeben. Luther hingegen hat das zweite biblische Gebot nicht übernommen („Du sollst dir kein Bildnis machen“), so dass bei ihm das dritte Gebot bereits als das zweite gezählt wird („Du sollst den Namen des Herrn nicht missbrauchen“).

Verbreitung

In Ostwestfalen bestehen lediglich vier reformierte Gemeinden – nämlich in Bielefeld, Herford, Minden und Vlotho. In anderen Regionen Westfalens sind ganze Kirchenkreise durchgehend reformiert geprägt – so in Wittgenstein, Siegen und Tecklenburg. Das benachbarte Lippe, die Grafschaft Bentheim, Ostfriesland und der Niederrhein sind ebenfalls überwiegend reformierte Gebiete. Vor allem das nördliche Hessen sowie Teile Frankens und die Pfalz haben eine starke reformierte Tradition. U. a. die Schweiz, die Niederlande, Ungarn, Schottland, die USA, Kanada und Südafrika haben einen hohen reformierten Bevölkerungsanteil.